2. August 2022
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD), www.tchrd.org

In Isolationshaft befindlicher tibetischer Geschäftsmann zu 2,5 Jahren Haft verurteilt

Das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) wurde über die Verurteilung von Tenzin Tharpa zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten informiert; er hatte Tibetern vor Ort geholfen, Geld an ihre Angehörigen und Verwandten in Indien zu schicken.

Im Oktober 2020 berichtete Human Rights Watch über die Inhaftierung von Tharpa, 39, und seiner Cousine Lhamo, 36, im Bezirk Driru (chin. Biru) in der Präfektur Nagchu (chin. Naqu), Autonome Region Tibet (TAR). Beide waren im Juni 2020 inhaftiert worden; Lhamo starb im August desselben Jahres an den Folgen der Folter in der Haft, der Aufenthaltsort und der Status von Tharpa blieben jedoch unbekannt (1).

Lhamo und Tenzin Tharpa

Jetzt wurde bekannt, daß Tharpa in einem Geheimprozeß zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Er soll im Dezember dieses Jahres entlassen werden. Seine Familie konnte zwar einen chinesischen Anwalt engagieren, aber ein faires Verfahren für Tharpa, der weiterhin an einem unbekannten Ort festgehalten wird, konnte dadurch nicht gewährleistet werden.

Bis heute haben die chinesischen Behörden keine Ermittlungen zum Tod von Lhamo, einer dreifachen Mutter, durchgeführt. Die örtlichen Behörden verbrannten ihren Leichnam sofort, um eine Autopsie zu verhindern, und verweigerten ihren Familienmitgliedern das Recht, ihre Beerdigung nach tibetisch-buddhistischen Riten durchzuführen.

Sowohl Lhamo als auch Tharpa waren unter dem Vorwurf inhaftiert worden, Geld an Familienmitglieder und Verwandte in Indien geschickt zu haben. Obwohl es für Tibeter innerhalb Tibets bisher üblich war, aus persönlichen und religiösen Gründen Geld nach Indien zu schicken, gehen die lokalen chinesischen Behörden in den letzten Jahren härter gegen Tibeter vor, die Kontakte zu im Exil lebenden Verwandten, insbesondere in Indien, unterhalten.

Vor seiner Verhaftung in der Kreisstadt Nagchu war Tharpa ein Geschäftsmann, der in der Ortschaft Chaktse (chin. Qiaze) in Driru mit Heilpflanzen und anderen lokalen Produkten handelte. Erst als seine Familie einen chinesischen Anwalt engagierte, erfuhr sie, daß er irgendwo in der Stadt Nagchu inhaftiert ist.

Tharpa ist ein ehemaliger Mönch, der am buddhistischen Institut Larung Gar studiert hatte. Im Jahr 2012 mußte er seine monastische Kleidung ablegen und das Institut verlassen, weil es Mönchen aus der TAR verboten wurde, in tibetischen Klostereinrichtungen außerhalb der TAR zu studieren, z.B. in der Autonomen Tibetischen Präfektur Kardze, wo sich die berühmte buddhistische Akademie befindet. Nach seiner Rückkehr nach Driru gründete er eine Schule für einheimische tibetische Kinder, die jedoch von den chinesischen Behörden geschlossen wurde. Seitdem stand er unter der Beobachtung der Regierung. Im Jahr 2014 begann er mit dem erfolgreichen Handel mit Heilpflanzen wie dem wertvollen Yartsa Gunbu (Raupenpilz).

Tibetern in Tibet ist es inzwischen fast unmöglich gemacht worden, ihre im Ausland lebenden Angehörigen, etwa Studenten und Mönche, finanziell zu unterstützen. Einige tibetische Universitätsstudenten mußten ihre Ausbildung abbrechen, weil die chinesischen Behörden ihren Eltern verboten hatten, Geld zu schicken. Viele Tibeter aus Driru und dem benachbarten Landkreis Sog (chin. Suo), die jetzt in Indien leben, können seit 2016 nicht mehr mit ihren Familienmitgliedern und Verwandten in Tibet sprechen.

In gleicher Weise können Tibeter in Tibet, die von in Indien lebenden tibetischen Geistlichen Rituale für ihre verstorbenen Familienmitglieder oder Verwandten ausführen lassen wollen, und dafür Geld an sie schicken, dies seit vielen Jahren nicht mehr tun.

Im Jahr 2014 haben die chinesischen Behörden in Driru eine Verordnung erlassen, die es den örtlichen Tibetern unter Androhung von schweren Repressalien, zu denen auch die Streichung von staatlichen Subventionen gehört, ausdrücklich untersagt, Kontakte zu tibetischen Exilanten in Indien zu unterhalten. Obwohl die Bestimmungen der Verordnung als vorübergehend bezeichnet wurden, sind sie inzwischen zu einem festen Bestandteil der staatlichen Repressionsmaschinerie in Driru geworden.

Die harten Repressalien der Regierung haben viele Tibeter zur Selbstzensur genötigt, die zu einem festen Bestandteil des täglichen Lebens in Tibet geworden ist, was den Abbruch der Beziehungen zu geliebten Menschen, um der eigenen Sicherheit willen mit einbezieht. Wie der TCHRD-Bericht von 2020 über Zensur und Überwachung feststellt (2), ist eine solche Selbstzensur ein Anzeichen für eine systematische Verletzung der Menschenrechte, die so weit geht, daß die Menschen Angst haben, ihre eigene Familie zu kontaktieren, selbst wenn sie nur Hallo sagen wollen.

(1) 29.10,2020, Tibeterin in chinesischer Haft zu Tode gefoltert, ihr Cousin festgenommen, http://www.igfm-muenchen.de/tibet/diir/2020/LhamoTenzinTharpa_29.10.20.html

(2) “Surveillance and censorship in Tibet”,
https://tchrd.org/wp-content/uploads/2022/07/Tibet-surveillance-censorship-.pdf